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Gegen Alltagsrassismus: Junge Wuppertaler wollen Brücken bauen

Claudia Kasemann

Sep 1, 2020

Mehr als 140 000 Menschen, fast 40 Prozent der Wuppertaler, haben einen Migrationshintergrund. Viele kennen die Situation, ohne Kenntnis der Person an Aussehen, Hautfarbe oder Kleidung gemessen, teils gemieden, gar beschimpft oder angefeindet zu werden.

Woher kommst Du?“ Wie diese Frage sowohl freundliches Interesse als auch Misstrauen und Ablehnung einleiten kann, wissen Wuppertaler mit Wurzeln in anderen Ländern und Teilen der Welt nur allzu gut. „Als Schwarzer in Deutschland hört man diese Frage sehr oft“, sagt Jan Morgan. „Und wenn ich antworte, aus Wuppertal’, schließt sich fast immer die Folgefrage an: ,Aber woher kommst Du wirklich?“ Anhand derer merke man schnell, welche Richtung der Austausch dann nehme, sagt Muyisa Muhindo, „und wie kategorisiert wird im Sinne von ,der eine ist richtig von hier, der andere ist nur ein bisschen von hier und der dritte gar nicht“.


Mehr als 140 000 Menschen, fast 40 Prozent der Wuppertaler, haben einen Migrationshintergrund. Viele kennen die Situation, ohne Kenntnis der Person an Aussehen, Hautfarbe oder Kleidung gemessen, teils gemieden, gar beschimpft oder angefeindet zu werden.


Anlass waren die Diskussionen über Rassismus in Amerika


Gegen diese Spaltung der Gesellschaft, gegen Diskriminierung und Alltagsrassismus stellen sich Jade Madani, Jan Morgan Urayeneza, Muyisa Muhindo und Selly Wane, vier junge Wuppertaler, die etwas verändern wollen. „Rassismus kann auch eine Form von Skepsis sein“, sagt Jan Morgan.


Fast 40 Prozent der Wuppertaler haben einen Migrationshintergrund (Stand Ende 2018/Anfang 2019). 74 677 Wuppertaler hatten zum Stichtag 31. Dezember 2019 einen ausländischen Pass, das sind 20 Prozent der Stadtbevölkerung. Die größten Gruppen sind Türken (10 719), Italiener (6280), Griechen (5696) und Polen (4767), dazu Syrer (9538). Der Anteil der Menschen mit nicht-deutscher Nationalität ist in den letzten zehn Jahren gewachsen. 2009 waren es mit 47 030 Personen, gut 13 Prozent der Einwohner.


Und hinter der steckten oft Neugier, aber auch Vorbehalte und Furcht vor Unbekanntem. „Das wollen wir ändern“, kündigt Madani an. „Wir möchten Vertrauen schaffen durch Austausch, unsere Erfahrungen teilen und Menschen dadurch vielleicht einander etwas näher bringen.“





Anlass seien die aktuellen Diskussionen über strukturellen Rassismus in Amerika gewesen, sagt Selly Wane, die das Swane-Café an der Luisenstraße führt. Zwar könne man die Alltagserfahrungen in Amerika nicht mit denen in Deutschland vergleichen. „Doch wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass auch wir hier etwas starten wollen, und zwar etwas Nachhaltiges.“


Lebenswirklichkeit in Wuppertal


So entstand die Idee einer regelmäßigen Kolumne in der WZ. Woche für Woche soll es darin um unterschiedliche Autoren und Perspektiven gehen, um Themen aus Politik, Kultur und Gesellschaft. Die vier sehen sich als Kuratorium, das Format nennen sie „Realitäten“. „Denn im Mittelpunkt steht Lebenswirklichkeit in Wuppertal“, betonen Jade Madani und Jan Morgan von der gleichnamigen Wuppertaler Agentur, die unter anderem Politiker berät.

„Wir möchten Impulse setzen in der Stadt und über sie hinaus, indem wir Probleme und Missstände aufzeigen, ihnen zugleich aber auch mit Lösungsvorschlägen zu begegnen versuchen“, sagt Morgan. „Vor allen Dingen geht es darum, Leute sichtbar zu machen, die nicht repräsentiert sind, weder im Stadtrat noch in öffentlichen Institutionen.“


Mit der Kolumne wolle man Menschen erreichen, „die normalerweise nicht mit uns und unseren Realitäten in Kontakt kommen“. Und auf diese Weise Verständnis schaffen - zum Beispiel für alltägliche, subtile Gewalt: Die habe viele Ausdrucksformen, sagt Jade Madani, „eine ist die, die wir Misstrauensvorschuss nennen“. Dahinter stecke die Erwartung, quasi erst einmal unter Beweis stellen zu müssen, dass man nichts Schlechtes im Schilde führe.


Gerade als Frau aus einem anderen Kulturkreis spüre man Anpassungsdruck, sagt Selly Wane, „es wird erwartet, dass man sich anpasst. Bestes Beispiel dafür sei das Kopftuch, das immer gern als Zeichen für Angekommen- oder Anderssein interpretiert werde: „Kritik daran kann auch eine Form von Gewalt sein.“ Die Gastbeiträge berücksichtigten zudem aktuelles Tagesgeschehen und Diskussionen wie die um die Umbenennung von Straßen, kündigt Muyisa Muhindo an: „In meinem Beitrag möchte ich erklären, weswegen ich ganz persönlich den Begriff Mohrenstraße so problematisch finde.“


»Den ersten Gastbeitrag von Jade Madani finden Sie auf der Seite 18 in dieser Ausgabe.


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